Die Plakataktion
Acht Künstler:innen haben sich kreativ mit dem Motto des diesjährigen Augsburger Diversity-Tags auseinandergesetzt: verLernen
Weil Museen, Clubs, Theater und vieles mehr weiterhin geschlossen bleiben müssen, wird der Stadtraum zur Ausstellungsfläche. Alle Kunstwerke werden in Schaufenstern, Glasfronten und Fensterflächen präsentiert und laden zum Vorbeispazieren und Innehalten ein.
Zwei Gedanken führen zum Motto des diesjährigen Diversity-Tags.
Erstens: Was Menschen über sich und andere wissen, ist das Ergebnis von Lernprozessen.
Zweitens: Die Gesellschaft ist geprägt von Machtverhältnissen, in denen Zugehörigkeiten eine wichtige Rolle spielen. Je nachdem ob eine Person als arm oder reich, als weiblich oder männlich, als schwarz oder weiß, als alt oder jung, als nicht gesund oder gesund, usw. gesehen wird, hat sie häufiger Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht oder sie wurde häufiger privilegiert.
Wir wollen solche Normalitäten, Gewohnheiten und Denkweisen irritieren und infrage stellen.
Wir wollen zum verLernen anregen.
Die plakatierten Orte werden ab dem 18. Mai hier veröffentlicht.
Beteiligte Künstler:innen:
Duo Mukenge/Schellhammer
Silia Aguilar Blacio
herrmann.kollektiv: Laura Sattelmair, Dalia Parisi Stix, Ida Lutzenberger
Verena Kandler
Grafik: Christiane Hackl
Gefördert und umgesetzt von:
Büro für gesellschaftliche Integration der Stadt Augsburg
Friedensbüro der Stadt Augsburg
Gleichstellungsstelle der Stadt Augsburg
Open Afro Aux
Staatstheater Augsburg
ZAM e.V.
Die Begriffe in den Schaufenstern
Anti-Rassismus
Bezeichnung für Bewegungen und Einstellungen, die sich (selbst-)kritisch mit Rassismus beschäftigen und sich gegen Rassismus positionieren. Rassismus ist ein komplexes Phänomen und nicht leicht zu definieren. Klar ist: Rassismus ist kein Alleinstellungsmerkmal des Nationalsozialismus oder gegenwärtiger Neonazis, sondern tief verankert in vielen „westlichen“ Gesellschaften. Rassismus beschreibt die Ausgrenzung und Unterdrückung von àSchwarzen Menschen/Schwarzen Deutschen bzw. àBIPoC und beruht auf der falschen und widerlegten Vorstellung, es gäbe menschliche Rassen. Rassismus bezeichnet ein Machtverhältnis, das seinen Ursprung in der kolonialen Ausbeutung Schwarzer Menschen hat, weshalb Rassismus nicht als Bezeichnung der Diskriminierung gegen weiße Menschen verwendet werden kann. Als „Rassismus ohne Rassen“ oder als „Neo-Rassismus“ wird ein Rassismus bezeichnet, der nicht auf der Unterscheidung körperlicher Merkmal aufbaut, sondern auf der Unterscheidung vermeintlich kultureller Merkmale wie Religion oder Sprache.
BIPoC
Black, Indigenous, People of Color. Emanzipatorische Selbstbezeichnung von Menschen, die Rassismus erfahren. Der Begriff stammt aus der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und ist inzwischen auch in Deutschland gebräuchlich. Er soll diskriminierende Fremdbezeichnungen ersetzen. Siehe auch àSchwarze Menschen/Schwarze Deutsche
#BlackLivesMatter
Soziale Bewegung und transnationales Netzwerk in sozialen Medien. Richtet sich gegen Gewalt gegen àSchwarze Menschen bzw. àBIPoC. Die Bewegung wurde 2013 in den USA gegründet. Hintergrund war der Freispruch von George Zimmermann, der den 17-jährigen Schüler Martin Trayvon getötet hat. Nach der Tötung von George Floyd durch einen Polizisten in Minneapolis am 25. Mai 2020 erfuhr die BLM-Bewegung erneut weltweite Aufmerksamkeit und Zuspruch. Die BLM-Bewegung macht u.a. darauf aufmerksam, dass Gesellschaften weltweit von rassistischen Strukturen geprägt sind, die Schwarze Menschen bzw. BIPoC diskriminieren und sogar ihr Leib und Leben gefährden. Ursächlich für anhaltende rassistische Strukturen sind auch neokoloniale Denkweisen. Diese zeigen sich auch im öffentlichen Raum – beispielsweise in Straßennamen von ehemaligen Kolonialbeamten, in Statuen von ehemaligen Kolonialherrschern oder Benennungen von Apotheken mit diskriminierenden Bezeichnungen. Umbenennungen gehen immer wieder mit heftigen Gegenreaktionen von Menschen einher, die offenbar an diskriminierenden Bezeichnungen festhalten wollen.
Diversity
Konzept zur Beschreibung der Unterschiedlichkeit aller Menschen mit dem Ziel Gleichwertigkeit zu erreichen. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Menschen können von Zugehörigkeiten wie sozialer Herkunft, Geschlecht, Religion, Herkunft, Alter oder Behinderung geprägt sein. Sie können gehen darüber hinaus aus individuellen Eigenschaft hervor: aus Interessen, aus Hobbies, aus Erfahrungen im Elternhaus, im Freundeskreis, in der Schule, im Beruf, aus Lebenssituationen, aus dem Charakter und vielem mehr. Diversity heißt, Unterschiede als Normalität zu verstehen und dadurch die Bedeutung von Unterschieden zu verringern. So können Gemeinsamkeiten entdeckt werden, die nicht sofort sichtbar sind. Es geht um einen respektvollen und diskriminierungsfreien Umgang mit unseren Mitmenschen.
Empowerment
Ermächtigung von Einzelnen oder Gruppen, um das häufig durch Diskriminierungserfahrungen ausgelöste Gefühl von Machtlosigkeit zu überwinden. Unter Empowerment werden unterschiedliche Strategien verstanden, die Menschen darin bestärken, ermutigen und unterstützen, selbstbewusst und selbstbestimmt den Alltag zu bewältigen. Empowerment kann u.a. bedeuten, diskriminierte Merkmale wie Homosexualität oder Begriffe wie „schwul“ positiv zu besetzen, sich damit zu identifizieren und so zu einer positiven Veränderung von Bedeutungen beizutragen.
Feminismus
Sammelbezeichnung für unterschiedliche politische und soziale Bewegungen, die sich für die Gleichberechtigung der Geschlechter einsetzen. Zentraler Bestandteil feministischer Bewegung ist die Bekämpfung von Machtungleichheiten und patriarchalen Denkweisen und Strukturen, Weitere wichtige Anliegen sind die Beseitigung von Sexismus und sexualisierter Gewalt sowie die körperliche und sexuelle Selbstbestimmung. Feministische und àantirassistische Bewegungen verweisen zudem auf das Problem und die Besonderheit von Mehrfachdiskriminierungen (Intersektionalität), die beispielsweise Schwarze Frauen treffen können.
LGBTIQA+
Bezeichnung für Menschen mit unterschiedlichen Geschlechtsidentitäten, nämlich lesbisch, schwul, bi-, trans- und intersexuell, queer, asexuell und anderen. Im öffentlichen Diskurs werden diese unterschiedlichen Geschlechtsidentitäten häufig gemeinsam genannt, weil sie allesamt nicht der Heteronormativität zugeordnet werden. Heteronormativität beschreibt eine gesellschaftliche Norm, nach der es lediglich die beiden Geschlechter Mann und Frau gibt, die zudem lediglich heterosexuell orientiert sein können. Diese Norm entspricht faktisch nicht der Realität menschlicher Geschlechter, die vielfältiger sind und sich zudem in ein biologisches Geschlecht (im Englischen sex) und ein soziales Geschlecht (im Englischen gender) unterscheiden können.
Macht & Privilegien
Unsere Gesellschaft ist von Machtverhältnissen durchzogen, die manche Menschen privilegieren und andere benachteiligen. Der Ausdruck „alte weiße Männer“ kennzeichnet eben dieses Machtverhältnis und meint, dass wohlhabende, nicht-migrantisch oder weiß gelesene Männer keine Barrieren haben. So ist es kein Zufall, dass politische, wirtschaftliche und institutionelle Spitzenpositionen häufig von „alten weißen Männern“ besetzt sind. Sie werden im Bildungssystem, auf dem Arbeitsmarkt, auf dem Wohnungsmarkt strukturell bevorzugt. Diese Ungleichheiten zu beseitigen erfordert unter anderem, dass sich Menschen ihrer Privilegien bewusst werden.
#MeToo
Hashtag, um in sozialen Medien auf sexuelle Belästigung und sexualisierte Gewalt aufmerksam zu machen. Der Ausdruck stammt von der Schwarzen Bürgerrechtsaktivistin Taran Burke. Sie verwendete ihn erstmals 2006 im Rahmen einer Kampagne gegen sexualisierte Gewalt und Missbrauch und für Empathie mit betroffenen Frauen. Nachdem öffentlich wurde, dass der Filmproduzent Harvey Weinstein mehrere Frauen sexuell belästigt und vergewaltigt hat, rief Alyssa Milano in sozialen Medien alle dazu auf, den Hashtag #MeToo zu verwenden, wenn sie schon einmal sexuell belästigt oder angegriffen wurden. Darauf verbreitete sich der Hashtag rasant und weltweit in sozialen Medien. Dies ermutige viele Frauen, erstmals gegen Täter auszusagen, die sich aufgrund ihrer Machtpositionen in Sicherheit wähnten.
Postkolonialismus
Konzept, mit dem die Nachwirkungen des Kolonialismus bis heute beschrieben werden und das die Emanzipation ehemals kolonisierter Gruppen als Ziel verfolgt. Das Konzept Postkolonialismus beruht auf wissenschaftlichen Untersuchungen zur Verflechtung von kolonialen sowie nach-kolonialen und gegenwärtigen gesellschaftlichen Machtverhältnissen. Unter anderem wurde gezeigt, dass politische und ökonomische Ungleichheiten auf dem Fortbestand kolonialer Strukturen beruhen. So werden beispielsweise weiterhin Rohstoffe aus dem Globalen Süden durch Staaten und Konzerne aus dem Globalen Norden unter katastrophalen ökologischen und sozialen Bedingungen ausgebeutet. Eine große Rolle spielt dabei die Aufrechterhaltung von rassistischen Denkweisen, die Menschen aus dem Globalen Süden abwerten, ihnen spezifische, meist negative Eigenschaften zuschreiben und so einer Empathielosigkeit Vorschub leisten, die sich dann auch negativ auf die Aufnahme derer auswirkt, die sich aufgrund ihrer Lebensverhältnisse zur Flucht entscheiden.
Schwarze Menschen/Schwarze Deutsche
Politische Selbstbezeichnung von Menschen, die Erfahrungen mit Rassismus gemacht haben. Der Begriff bezeichnet keine Farbe und keinen Hautton. Um zu kennzeichnen, dass es sich nicht um eine Eigenschaft handelt, wird das „S“ in „Schwarz“ bewusst großgeschrieben. Der Begriff sollte nur dann verwendet werden, wenn es für den jeweiligen Kontext unerlässlich ist. Denn in der Regel spielt die Hautfarbe im Alltag keine Rolle.
Selbstbezeichnungen wir Schwarze Menschen oder àBIPoC sind notwendig, um den in der Vergangenheit geschaffenen, rassistischen Fremdbezeichnungen, positive Selbstbezeichnungen entgegenzusetzen.
Folgende Begriffe sollten keinesfalls verwendet werden:
Menschen als farbig zu bezeichnen stammt aus der Rassentheorie, die „Rassen“ entlang ihrer „Farbe“ unterscheidet. In der Tierwelt wird mit dem Begriff Mischling die Vermischung zweier Rassen beschrieben. Kolonialismus und Rassentheorie verwendeten den Begriff für Menschen. Kinder von Europäer:innen und Nicht-Europäer:innen oder Kinder mit einem jüdischen Elternteil wurden so bezeichnet und abgewertet sowie als „unrein“ und „verschmutzt“ ausgegrenzt. Ähnliches gilt für die Bezeichnung „Mulatte/Mulattin“, der für Nachkommen eines als Schwarz gelesenen Elternteils und eines als Weiß gelesenen Elternteils verwendet wurde. Der Begriff kommt vom lat. Wort mulu (Maulesel), also eine Kreuzung aus Pferd und Esel. Maulesel sind nicht fortpflanzungsfähig. Die Bezeichnung für Menschen sollte dementsprechend suggerieren, dass sich verschiedene „Menschenrassen“ nicht vermischen dürfen, da dies von der Natur nicht vorgesehen ist. Zudem sind das N-Wort und das M-Wort rassistisch diskriminierende Fremdbezeichnung für Schwarze Menschen. Bis 2020 war das M-Wort noch namensgebend für ein Augsburger Luxushotel.
Teilhabe
Voraussetzung für ein gleichberechtigtes Leben von Menschen innerhalb einer Gesellschaft. Bei Teilhabe (auch Partizipation) geht es um die Einbeziehung, Mitwirkung und Beteiligung von Menschen an gesellschaftlichen Teilbereichen wie politischen Wahlen, dem Arbeitsmarkt, dem Sozial- und Gesundheitssystem oder dem kulturellen Leben. Eine vollständige Teilhabe aller Menschen ist das Ziel einer inklusiven Gesellschaft und führt zu einem gleichberechtigten Miteinander. Aufgrund von Machtverhältnissen und Ausgrenzungsmechanismen ist dieses Ziel noch nicht erreicht. Beispielsweise haben Menschen, deren Name nicht „deutsch“ klingt, nachgewiesen schlechtere Chancen auf dem Wohnungs- oder Arbeitsmarkt. Das deutsche Wahlrecht schränkt die politische Teilhabe von Ausländer:innen ein.
Toxische Männlichkeit
Begriff zur Beschreibung schädlicher Verhaltensweisen von Männern. Zu diesen Verhaltensweisen zählen Gewalttätigkeit, Aggressivität, Dominanzgehabe, Stärke, Gefühlskälte, sexuelle Potenz sowie Frauenfeindlichkeit und Homophobie. Toxische Männlichkeit (im Englischen toxic masculinity) heißt nicht, dass sich alle Männer so verhalten, sondern verweist auf ein Rollenbild, das in patriarchalen Gesellschaften immer noch vorherrschend ist. Ein solches Verhalten ist für die Gesellschaft, für das Umfeld sich so verhaltender Männer und für diese Männer selbst schädlich („giftig“). Beispielsweise können Männer darunter erleiden, wenn sie dieses Klischee von Männlichkeit für richtig erachten, es aber selbst nicht erfüllen. Gesellschaft und Umfeld leiden unter toxischer Männlichkeit, weil sie zu Diskriminierung, Erniedrigung bis hin zu physischer Gewalt führen kann.
Die Sammlung ist eine unvollständige Auswahl relevanter Begriffe, die uns im Zusammenhang mit Kunstwerken sinnvoll erschien.
Im Netz finden sich weitere Begriffssammlungen wie beispielsweise jene, die die Stadt Augsburg 2020 erstellt hat: https://www.augsburg.de/fileadmin/user_upload/verwaltungswegweiser/buero_fuer_migration_interkultur_und_vielfalt/Diversity_Glossar.pdf